Aus Liebe zur Handwerkskunst

Jagd ist oft eine Glaubensfrage.
Ebenso verhält es sich bei Jagdwaffen. Der eine schwört auf moderne Technik, der andere ist Verfechter traditioneller sowie edler Handarbeit. Einer von ihnen hat eine Liebeserklärung an den 98er verfasst …

Etwa 1.000 Waffen gehen je- des Jahr zur Wertfindung durch meine Hände. Meine

Aufgabe besteht unter anderem darin, private Sammlungen zu taxieren und sie im Anschluss zu vermarkten. Ebenso suche und finde ich Exponate im Kundenauftrag.

Bei den einmal pro Quartal im Auktionshaus Holts auctioneers in London stattfindenden Jagdwaffen-Auktionen vertrete und berate ich gleichermaßen Verkäufer sowie Käufer.

Als passionierter Jäger, da- heim wie im Ausland, besteht der Wert einer Waffe für mich nicht nur im tatsächlichen Marktwert. Qualität und Funktion, ihre Herkunft sowie mein ästhetisches Empfinden bilden dabei die Grundlagen zur Bewertung feiner Jagd- und Sportwaffen.

Tacheles

Waffen aus Kunststoff, mit Stainless-Steel-Läufen, signalorange- oder camouflagefarben, verkörpern für mich nicht die Jagdwaffen, für die ich stehe. Sie stören mich gleichermaßen so, wie es mich irritiert, dass jagdinteressierte Menschen durch Crashkurse gepeitscht werden anstatt mit Verantwortungsbewusstsein in unsere Welt der Jagd eingeführt zu werden.

Diese mir wenig imponieren- den Dinge kann ich ansprechen, jedoch leider nicht ändern! Beeinflussen kann ich lediglich meine Welt durch ein besseres Verständnis für gute Waffen. Ob das eine sinnvolle Mission ist, wird sich zeigen. Jedenfalls stehe ich für meine Überzeugung.

Mir ist bewusst, dass meine Standpunkte und Interpretationen zuweilen polarisieren. Bei allen Konsumgütern, so auch bei Jagdwaffen, werden Begehrlichkeiten durch Marken geprägt. Ich unterscheide dabei zwischen Qualitäts- und Image-Brand. Image-Brands sind Produkte, die mehr vorgeben, als sie tatsächlich sind. Solche, die etwa mit Lasergravur statt mit Handgravuren veredelt wurden; solche, die statt gewachsener Holzmaserung mit Airbrush oder Lasertechnik in Holzmaserungsoptik aufwarten. Parallelen dazu gibt es im alltäglichen Leben zuhauf.

Gerne sprechen wir Jäger über Traumwaffen, und ich tue das ganz besonders gerne! Persönlich schätze ich, was präzise und handwerklich gut ist! Meine Hochachtung gebührt den qualifizierten Handwerkern, die unsere Jagdwaffenträume umsetzen. Der steinige Weg zur fertigen Auftragsarbeit benötigt zuweilen Langmut, aber er lohnt sich!

Mauser 98

Klassische Jagdrepetierer sind konservativ, stellen bis heute an Leistung, Zuverlässigkeit und Robustheit das Maß der Dinge. Was als Infanterie-Waffe des deutschen Heeres begann, hat bis heute noch militärische Aufgaben zu erfüllen, so zum Beispiel als Salutwaffe.

Die Erfolgsgeschichte erstreckt sich über verschiedene Produktions-Standorte. So wurden Mauser-98-Systeme in Lizenz in Schweden, Argentinien, Spanien, Peru, Chile und Mexiko gefertigt. Seit der Markteinführung 1898 sind weltweit etwa 100 Millionen Mausersysteme produziert worden, Artverwandte nicht mitgerechnet.

Wir unterscheiden das Kurzsystem (206 Millimeter Baulänge), das Standardsystem (227 Millimeter Baulänge) sowie das Magnumsystem (234 Millimeter Baulänge). Jede auf der Welt existierende Gürtelpatrone und Rillenpatrone findet in einem der Systeme bestens Platz.

Einige deutsche Büchsenmacher haben einen Großteil ihrer Arbeitskraft dem Bau von 98er-Jagdrepetierern gewidmet. Das grobe Rezept für eine hervorragende Gebrauchsjagdbüchse ist wie folgt. Man nehme: ein System, einen Magazinkasten sowie einen Lauf. Heutzutage gefertigte Läufe weisen Toleranzen von weniger als 1/100 Millimeter auf. Mit passender Munition sind 5-Schuss- Streukreise auf 100 Meter von unter 30 Millimeter ohne Weiteres möglich.

Anstelle der militärischen Flügelsicherung tritt eine horizontale 3-Stellungssicherung, um eine flachere Zielfernrohrmontage zu gewährleisten. So mancher Purist lehnt diese kleine Innovation allerdings vollständig ab. Teile für Laufaufbauten dürfen je nach Geschmack ausgewählt werden. Es geht natürlich auch ganz ohne. Entweder aufwendig, mit einer 1/4-Schiene oder schlichter, oder mit einer offenen Visierung, die mittels Ring über den Lauf geschoben wird. Last but not least: die Riemenbügelaufnahme.

Die Ausstattung mit einem feinen Abzug erfüllt den jagdlichen Anspruch in Sachen Präzision. In den USA gibt es zig Anbieter, in Deutschland kenne ich 5 hervorragende.

Jetzt fehlt noch der Schaftrohling, eine Schaftkappe sowie ein Glas. Wem solch ein Projekt allerdings zu umfangreich oder aufwendig ist, der hat die Möglichkeit, aus seinem bestehenden Repetierer eine individuellere Jagdwaffe gestalten zu lassen. Hierbei ist der Aufwand im Verhältnis zum kompletten Neubau deutlich geringer.

Durch innovative Techniken, wie zum Beispiel das Laserschweißen, ist es möglich, auf Militärsysteme eine Brücke (auch Square Bridge genannt) aufzuschweißen. Geschieht dies vorne und hinten an der Hülse, so nennt sich dies Double Square Bridge. Diese dienen als Träger für moderne Montagesysteme, vorzugsweise Schwenkmontagen, deren Basen häufig in die Brücken einerrodiert werden.

Es muss also nicht immer ein neu gefertigtes Zivilsystem sein.

Aus einem guten Argentino-Mauser oder ebensolchem portugiesischem System lassen sich äußerst zuverlässige, schöne Jagdrepetierer bauen.

Das Argentino-System mit Kasten bietet den Vorteil, den Magazindeckel nach unten über einen Drücker im Abzugsbügel zu öffnen. So kann bequem und sicher entladen werden. Argentinokästen lassen sich problemlos auf jedes Medium-Mauser-System anpassen. Für die Kurz- sowie Magnumsysteme gibt es neu gefertigte Kästen nach Vorbild des Argentinokastens. Sie haben den gleichen Öffnungsmechanismus.

Bei Bedarf einer erhöhten Magazinkapazität, kann dieser über einen größeren, tieferen, sogenannten Rigby-Deckel befriedigt werden. Sie sind für alle Systemgrößen erhältlich.

Extras zum Individualisieren

Büchsenmacher, die sich auf die Herstellung von 98er-Teilen spezialisiert haben, bieten eine breite Palette an feinen Extras. Besonders schön werden die Unikate, wenn diese Teile nicht nur aus dem Regal montiert, sondern mit Liebe zum Detail angepasst werden.

Stellt sich der Waffenbesitzer die Aufgabe, so ein altes Schätzchen wiederzubeleben, ist es ratsam, sich zunächst die Kammer genauestens anzuschauen. Dabei ist besonders auf die gewünschte Kalibergruppe im Zusammenhang mit dem vorhandenen Stoßboden an der Kammer zu achten. Sollte alles passen, steht dem Projekt „Individual- Repetierer“ nichts im Weg.

Das finanzielle Budget ist vorher klar zu fixieren, um bösen Überraschungen vorzubeugen. Und dass dieses den Verkaufswert eines Repetierers von der Stange deutlich übersteigt, dürfte jedem klar sein. Bei Neuanfertigung muss mit mindestens 9.000 Euro gerechnet werden. Je nach Individualisierungswunsch gibt es nach oben hin kaum Grenzen.

Jäger mit Verhältnis

Grundsätzlich glaube ich, dass jeder Jäger, der sich eine Jagdwaffe anfertigen lässt, ein anderes Verhältnis dazu aufbaut, als derjenige, der eine industriell gefertigte Waffe aus dem Regal heraus kauft und führt. Mit Verhältnis meine ich eine Vertrautheit, die schon während der Herstellungsphase entsteht, nicht zuletzt deshalb, weil sich der Jäger viel mehr mit „seinem Gewehr“ beschäftigt. Diese Beziehung gewinnt mit jedem Jagdtag, lässt Zufriedenheit sowie Vertrauen wachsen.

98er sind nicht nur Repetierbüchsen. Sie verkörpern eine Philosophie. Sie stehen wie kein anderer Jagdwaffentyp für Präzision, Robustheit sowie Alltagstauglichkeit. Natürlich nur dann, wenn sie penibel und liebevoll gefertigt worden sind.

Etwa 100 Handwerkerstunden in der Herstellung ist die Mindestanforderung an solch eine Jagdwaffe. So erklärt sich dann auch der hohe Preis eines solchen Projektes, Made in Germany. Gute Gebrauchte sind schon für die Hälfte zu haben. Das wiederum entspricht dem Durchschnittspreis einer Industrieware.

In Anbetracht der Aufgabe und Verantwortung, die wir mit einer Waffe übernehmen, relativiert sich der Preis, zumindest sollte er nicht den einzigen Parameter in der Auswahl stellen. Mindestens eine Generation erfreut sich an einer Handgefertigten. Traditionell geht der Besitz vom Vater auf den Sohn über.

Es ist erstrebenswert, solch eine Waffe zu besitzen, sie zu schätzen und zu führen. Wenn ich die Verkaufserlöse von Waffen sehe und analysiere, stelle ich fest, dass derjenige, der früher tiefer in die Tasche gegriffen hat, zumindest den Großteil seines Geldes bei Verkauf zurück erhält. Große Marken, wie etwa Holland & Holland, Rigby, Jefferey, um nur einige zu nennen, kosten heute, gute 80 Jahre nach ihrer Fertigung, bei guter Pflege mehr, als ihr Erstbesitzer im Anschaffungspreis bezahlte. Bis zu 15.000 Euro werden für solch eine Büchse von Liebhabern bezahlt.

Wird also heute in Geschmack und Qualität investiert, erhält der Käufer einen stabilen Gegenwert, einen, der mehr Freude bereitet als Negativzinsen bei der Bank.

Die Jagd verpflichtet uns Jäger aus meiner Sicht in vielerlei Hinsicht, unter anderem auch in der Erhaltung jagdlicher Tradition. Der Mauser-Repetierer ist ein Stück unersetzbarer deutscher Jagdtradition.

Die Legende lebt

Mustergültig in der Symbiose aus Tradition und innovativer Herstellung von 98er-Jagdrepetierern sind exemplarisch 3 Büchsenmacher zu nennen: Hartmann & Weiss (Hamburg), Max Ernst (Köln) so- wie Theo Jung (Lohmar). Sie sind mit ein Grund, dass die Legende 98er lebt.

Bei heimischen Jagden erfüllen klassisch gebaute Repetierer und Stutzen ihre jagdlichen Aufgaben bestens, ganz gleich, ob sie 100 Jahre alt sind oder frisch aus der Manufaktur kommen.

Für Auslandsjäger gibt es zudem reisefreudige Optionen in Form von Take-Down-Varianten. Durch erlesene Hölzer sowie aufwendige Gravuren können in der Herstellung wahre Meisterwerke der Luxusklasse entstehen.

Ein 98er kann alles sein, Arbeits- und Rennpferd in einem. Er ist die eierlegende Wollmilchsau unter den Jagdgewehren. Leichtgewichtige Bergwaffen gibt es schon mit 2,5 Kilogramm Gewicht. Schwere „Big Five“-Waffen haben häufig 5 bis 5,5 Kilogramm.

In der Anschaffung von wenigen 100 Euro bis zu 500.000 Euro Kaufpreis zeigen sie Facetten wie kein anderes Jagdgewehr. Träume sind dazu da, um realisiert zu werden. Der Weg dorthin enthält oftmals das Ziel …