Knochen an der Wand sind für die meisten Jäger eine Selbstverständlichkeit. Doch es gibt eine alternative „Trophäe“, mit der die Erinnerung an die Jagd ebenso weiterlebt …
Schwarz-Weiß-Zeichnungen mit Kohle & Bleistift sind der Schwerpunkt der Tätigkeit einer jungen britischen Künstlerin namens Victoria Wilcox. Lange bevor ich ihr begegnete, hatte ich das Interesse an der Ausstellung von Trophäen völlig verloren. Es bedeutete mir nichts mehr, die Knochen an der Wand hängen zu sehen.
Oft musste ich mich wegen meiner Trophäen, darunter auch viele KopfSchulter-Montagen, gegenüber meinen nichtjagenden Freunden erklären. Und irgendwann passierte es dann: Als wir umzogen, wollte mir die Vorstellung, die schönen neuen Wände wieder mit meiner Beute zu schmücken, nicht mehr gefallen. Gerade erst hatten wir die CLA Game Fair besucht, die große englische Open-Air-Messe, bei der mir in besonderem Maße verschiedene Jagdmaler aufgefallen waren. Ihre Darstellungen der Wildtiere wie auch der Jagdszenen zogen mich magisch an. Bis dahin kannte ich nur Rien Poortvliet, Prof. Manfred Schatz wie auch Wilhelm Kuhnert.
Im Bann der Künstlerin
Die Bilder von der in Wiltshire lebenden Victoria Wilcox waren bzw. sind so ganz anders. Ihre fotografische, hyperrealistische Genauigkeit sowie Kreativität haben mich gleichermaßen in den Bann gezogen. Mit den Jahren sind wir gute Freunde geworden. Viele Auftragsarbeiten meiner Jagdabenteuer wurden von ihr ausgeführt. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, wie sehr Victoria während eines Entstehungsprozesses immer wieder den Kontakt zu mir sucht, um sicherzustellen, dass die Darstellung meinen Vorstellungen bzw. meiner Erinnerung entspricht. So eine Zusammenarbeit hätte ich mir vorher nie vorstellen können. Das Ergebnis ist sehenswert, sind die Darstellungen doch gleichermaßen attraktiv, dekorativ, präzise und kreativ.
Diese Black & Whites haben auf mich eine Wirkung, wie ich sie bei vielen Bildern vermisse. Und obwohl sie mich bereits seit einigen Jahren umgeben, empfinde ich keines von ihnen als langweilig oder gar störend. Diese Form der Kunst ermöglicht es mir, jagdliche Impressionen in bester Erinnerung zu halten. So auch das „halbe Portrait“ meines Weimaraners Adolph, der schon seit ein paar Jahren im Hundehimmel ist sowie des „halben Portraits“ des letzten Bocks, den Adolph und ich auf der Nachsuche gemeinsam erlegten.
Ebenso faszinierend sind für mich die afrikanischen Impressionen und Erinnerungen, die ich teilweise mit der Kamera festgehalten und dann von Victoria auf Papier habe bringen lassen. Die Big Five und auch einige kleine Antilopen. In meinem Haus ist so eine neue Form der Trophäensammlung entstanden, ohne dass sich die kleinen Kinder der nächsten Generation darüber erschrecken müssen. Einer der vielen Vorteile liegt darin, dass die Tiere lebendig, dynamisch und voller Kraft strotzend auf Papier gebannt werden, wohingegen die alte Form der Trophäenschau mir mittlerweile wie ein bizarres, trauriges Ende eines stolzen, freien Lebens anmutet.
Hyper-Realismus
Der Stil, in dem Victoria arbeitet, wird Hyper-Realismus genannt und ist ein Genre für Zeichner, Maler und Bildhauer, die ihre Kunst auf Grundlage einer hochauflösenden Fotografie erstellen. Für ihre Schwarz-Weiß-Arbeiten verwendet die Künstlerin ausschließlich die in der Schweiz hergestellten Bleistifte der Firma Caran D‘ Ache, Pablo. Diese farbigen Bleistifte sind deshalb ihre erste Wahl, weil sie außergewöhnlich lange scharf sowie spitz bleiben und somit feinste Details auf Papier bannen können.
Das Papier kommt aus England, heißgepresstes, weiches Papier, das Textur zeigt. Diese ermöglicht es, Details, wie zum Beispiel den Nasenschwamm von Säugetieren, naturgetreu wiederzugeben. Der Papierhersteller ist die bekannte Firma Bockingfort.
Allen Bildern, an denen Victoria arbeitet, liegen verschiedene Fotos des Tieres zu Grunde. Der erste Schritt beginnt immer auf einem kleinen Stück Papier. Hierauf skizziert Victoria grob, worauf es später im Originalformat ankommt. So kann sie von Anfang an Strukturen und Proportionen genau kontrollieren. Wenn dann auf dem endgültigen Format ihre Skizze aufgetragen ist, werden in vielen endlosen Schichten mit Tausenden und Abertausenden kleinen Strichen die Details dargestellt. So erweckt sie das Tier zum Leben. Um die Schattierungen und Tiefen genau zu treffen, arbeitet sie von außen nach innen. Das hilft, die Dreidimensionalität perfekt abzubilden.
Die Augen des Objektes werden zum Schluss gezeichnet, dadurch stellt sich sofort das Gefühl ein, dass einen das Tier anschaut. Es zieht den Betrachter regelrecht in den Bann! Eine so aufwendige, künstlerisch anspruchsvolle sowie wunderschöne Arbeit hat ihren Preis: Je nach Größe kosten die Werke zwischen 2.500 und 6.500 Euro zuzüglich Umsatzsteuer.
Nicht wenig, aber durchaus angemessen. Zudem gilt zu bedenken, dass der Wert einer Trophäe mit dem Erleger stirbt. Kunst hingegen erreicht mehr Interessenten. Sie kann wertstabil, eventuell sogar wertsteigernd sein, wird weitervererbt und wertgeschätzt, Trophäen hingegen am Ende meist weggeworfen.