Exquisite Büchsenmacher gibt es überall in Europa, nur finden muss man sie. Die meisten von ihnen leben ein heimliches Leben, scheuen das Rampenlicht. Sie sind so sehr mit ihrem Qualitätsanspruch, ihrer Handwerksleistung behaftet, dass sie kaum für öffentliche Auftritte oder Pressearbeit zur Verfügung stehen. Man muss sie daher wirklich suchen und dann natürlich auch finden!
In Ancona (Italien) habe ich so eine Manufaktur entdeckt. Die knapp 1.000 Kilometer Autobahn und Landstraßen von Karlsruhe bis dorthin waren ein echter Ritt, jedoch einer, der sich lohnen sollte.
Cosmi – der Name lockt
Grundsätzlich stehe ich halbautomatischen Flinten sehr skeptisch gegenüber. Das Kipplaufmodell der Marke Cosmi machte aber auch mich neugierig. Außergewöhnliche Technik fasziniert mich seit jeher.
Im Jahre 1929 wurde die kleine Manufaktur an der Adriaküste von Rudolfo Cosmi gegründet. Seitdem werden dort in ungefähr
400 Stunden aufwendiger und präziser Handarbeit aus etwa 100 Einzelteilen halbautomatische Kipplaufflinten der Extraklasse hergestellt. Jede einzelne wird nach individuellen Kundenwün- schen gefertigt und aufs Feinste abgestimmt.
Der Ursprung der Konstruktion liegt in einer Vision des Firmengründers Rudolfo. Die Legende besagt, dass er sich mit geschlossenen Augen die perfekte Jagdflinte erträumte, dann die Augen öffnete und sie baute.
Heute werden alle Einzelteile einer Cosmi mühsam und liebevoll zugleich in Handarbeit hergestellt. Die Schäfte werden ausschließlich aus erlesenem kaukasischen Nussbaum-Wurzelholz gefertigt. Das Unternehmen steht unter der Führung von Dr. Luca Gaeti, einem sympathischen wie dynamischen Enddreißiger mit größter Jagdpassion. Er kaufte 2018 die Firma und brachte nicht nur frisches Kapital, sondern auch ebensolchen Unternehmergeist mit. Im Gespräch mit ihm fand ich heraus, dass seine frühesten Kindheits-Erinnerungen an die Jagd gebunden sind. Jagdausflüge, Lockvögel und natürlich feine Jagdwaffen standen von klein auf für ihn im Mittelpunkt seines Lebens.
Als er die Möglichkeit hatte, in diese Firma zu investieren, hat er als stolzer Italiener nicht lange gezögert. Luca sieht seine Aufgabe darin, ein solch gewachsenes, prestigebehaftetes Unternehmen in eine solide Zukunft zu führen, ohne die Tradition aus den Augen zu lassen. So ist es nicht verwunderlich, dass er die Führung des zwölfköpfigen handwerklich arbeitenden Teams in die Hände des Firmengründer-Enkels, ebenfalls ein Rudolpho Cosmi, mit 50 Jahren Handwerkserfahrung gelegt hat.
Das gesamte Team Cosmi macht auf mich einen glücklichen und ausgewogenen Eindruck. Heute steht die Firma mit einer Jahrzehnte langen Tradition und in vierter Generation besser da als jemals zuvor.
Die Auftragsbücher sind voll
Die Preise beginnen bei gut 12.000 Euro. Nach oben hin gibt es bekanntlich keine Grenzen. Eine Cosmi-Selbstladeflinte ist in drei Produktgruppen eingeteilt:
Standard: für Puristen, aus hochvergüteten Stählen gefertigt. Das hochpolierte System strahlt Eleganz und Solidität aus.
Titanium: Das System-Oberteil ist aus Titan gefertigt, wie der Name schon sagt. Es ist leicht und extrem belastbar.
Super leggero: Das komplette System ist aus Titan gefertigt, 700 Gramm leichter als die oben genannten. Dieses Modell wiegt im Kaliber 12 weniger als 3 Kilogramm, Korrosionsprobleme gibt es nicht.
Die letztgenannte Version schlägt mit einem Listenpreis von knapp 30.000 Euro zu Buche. Gemessen an dem, was die Automobilindustrie für Zubehör und Extras aufruft, erscheint die Qualität, die hier unumstritten geliefert wird, zu einem geradezu sozialverträglichen Preis Abnehmer zu finden.
Meine erste Begegnung mit einer Cosmi war allerdings kein durchschlagender Erfolg und daher nicht vom Wunsch begleitet, eine solche Waffe besitzen zu wollen. Nicht zuletzt auch aufgrund meiner starken britischen Prägung. Das Selbstladegeräusch schreckte mich zunächst ab, im jagdlichen Test jedoch zeigten sich dann alle Vorteile der Cosmi. Eine bis heute anhaltende Liaison begann.
Die Cosmi-Vorteile
Die Vorteile sind ein sehr komfortables Rückstoßverhalten auch bei hohen Schrotvorlagen. Wer einmal bei nassen Witterungsverhältnissen auf Hasen gejagt hat, weiß das sehr zu schätzen.
Mit einer Cosmi führt man eine gesellschaftsfähige, halbautomatische Flinte mit außergewöhnlicher Feuerkraft. In geöffnetem Zustand präsentiert sich nicht der gewohnte Anblick eines Patronenlagers, sondern die komplette, hochpolierte Mechanik eines kleinen, technischen Wunderwerks, ähnlich wie der Anblick eines feinen Uhrwerks durch einen gläsernen Gehäuseboden.
Ein genussvoller Anblick für Ästheten und Blickfang für Neugierige.
Sicherheit & Feuerkraft
Bevor diese Flinte einsatz-, also feuerbereit ist, muss der umsichtige Schütze bei geöffneter Flinte zunächst eine Patrone in das Patronenlager führen und dieses dann mit einem Schlitten manuell verriegeln. Nun kann das Röhrenmagazin, das in den Hinterschafft eingebaut ist, mit der gewünschten Menge an Patronen gefüllt werden. Als nächstes wird mittels eines kleinen Hebels bei geöffneter Flinte das Schloss von Hand gespannt. Schließlich kann noch über eine auf dem Kolbenhals verfügbare Schiebesicherung der Abzug blockiert oder freigegeben werden. Sind dann alle Sicherungen entriegelt, kann es losgehen.
Das Abfeuern von bis zu acht Patronen ist schon ein besonderes Erlebnis! Selbstverständlich kann man mit einer Blockierung des Magazins über einen kleinen Stift die Menge der Patronen auf drei reduzieren. Mir macht es etwa beim Flush-Schießen auf Tontauben (hier können durchaus bis zu zehn Ziele zeitgleich in der Luft sein) riesigen Spaß.
Eine Cosmi ist eine besondere Selbstladeflinte für außergewöhnliche Einsätze. Außer Acht lassen sollte man nicht, dass sie auf eine nahezu 100 Jahre alte Tradition zurückblicken kann. Für Jäger, die Rückstoßprobleme aufgrund etwa von Wirbelsäulenverletzungen haben, ist sie eine wunderbare alltagstaugliche Jagdwaffe.
Meiner Meinung nach gehört sie in jede anständige Flintensammlung. Und wer so viel Geld für eine Neuwaffe nicht ausgeben möchte: Ab und an findet man hervorragend erhaltene Stücke zu äußerst erschwinglichen Preisen.