Heißes Land, kalte Läufe

Rock Pigeons zählen sicherlich zu den bestfliegenden Gamebirds der Welt. Eine Taube, in etwa so groß wie unsere Ringeltaube, blau bis anthrazit im Ge­fieder, mit weißen Tupfen auf den Schwingen und rot­ umrandeten Augen.

Diese Vögel sind im Feld eine wahre Plage. Ihre unvor­stellbar großen Vorkommen sind durchaus in der Lage, die lokale Ernte, überwiegend Sonnenblumen und Erd­nüsse, um 30 bis 40 Prozent zu reduzieren. Ihre Population wächst stetig, da sie ganzjährig, alle sechs Wochen, pro Elternpaar zwei Küken aufziehen.

Einer der Punkte, der uns zu Wiederholungstätern hat werden lassen, ist der, dass wir auf diesen Reisen so rich­ tig aus dem Vollen schöpfen konnten. Selbst unsere durchschnittlichen Schützen verschießen hier problem­ los etwa 1.000 Patronen am Tag. Die Jagd mit solch ́ großen Strecken ist höchst anspruchsvoll, aber auch bezahlbar. Ein weiterer wichtiger Grund für Südafrika und die Rockies ist der, dass alle erlegten Tauben verwertet werden.

Über die Trefferquote schweigt der Gent­ leman. Es ist jedoch hinreichend bekannt, dass selbst ausgezeichnete Schützen selten eine 1:2­ Quote erreichen. Wenn diese Tau­ ben im Anflug sind, kommen sie mit ordentlicher Geschwindigkeit. Der Schütze, der nun unvorsichtig die Mündung auf 70 Me­ter Distanz hebt, kann Luftkapriolen vom Allerfeinsten beobachten. Ebenso reagie­ren die Vögel auf Bewegungen der vielleicht 80 Gänge entfernt stehenden Nachbar­ schützen.

Dieses Flugwild, so bilde ich es mir zu­ mindest ein, weicht den tödlichen Garben durch Flugmanöver aus. Ich habe es bei entsprechenden Lichtverhältnissen selber gesehen, dass es anfliegenden Schroten ausweicht, es zumindest versucht. Loo­pings, Rollen, Sturz­ und Steigflüge – all’ das gehört zum Repertoire.

Riesige Strecken

Wir schießen Kaliber 12, Nr. 6, mit 30 Gramm Vorlage und einer Mündungsgeschwindig­keit von knapp 400 m/s! Die Jagdzeit auf Rockies ist ganzjährig, wobei die Monate April bis Juni am besten sind. Ebenso dürfen Jäger im Februar riesige Strecken erwarten. Alles hängt jedoch von den Niederschlägen sowie der daraus resultierenden Erntereife der Sonnenblumen ab.

Wir hatten uns am 13. April für acht Tage auf die Reise gemacht. Dieses Zeitfenster wurde uns von den Organisatoren vor Ort als optimal genannt. Unser Rückflug war für den 21. April gebucht, womit uns sechs vol­ le Jagdtage erwarteten.

Unser Team bestand aus sechs Freunden und zwei Schützenkindern. Markus Sohn Justin, mit 15 Jahren unser jüngster, sowie meine Tochter Mathilde mit ihren 17 Len­ zen, beide hochmotiviert und passioniert.

Als alte Langstreckenflug­Hasen hatten wir uns rechtzeitig Economy­Plus­Tickets gesichert. Business Class wäre sicherlich noch komfortabler, mit dem doppelten Preis bei zehn Stunden Flugzeit jedoch ganz schön happig gewesen.

Als wir am frühen Morgen des 14. April in Johannesburg ankommen, sind wir alle re­lativ gebügelt. Von der Gepäck­ geht es direkt zur Waffenausgabe. Dort erwartet uns bereits unser Berufsjäger Dave zusam­men mit seinem Team. Darunter auch ein neues Gesicht, nennen wir ihn Mister X, ein einheimischer Problemlöser im Umgang mit den Einreise­Beamten. Er ist jeden Rand wert! In Rekordzeit nehmen wir unsere Waffen in Empfang, sitzen im Auto und be­ finden uns auf der 4­stündigen Weiterfahrt zum Zielort.

Beim ersten Zwischenstopp für einen kleinen Snack und eine Erfrischung kommt mir zum ersten Mal das Motto der Reise in Anblick, und ich muss direkt herzlich darü­ber lachen! Auf einem Werbeschild an der

Tankstelle steht: „You can’t buy happiness, but you can buy icecream.”

Nach 4­-stündiger Autofahrt durch Südafrika haben wir alle einen rechten Winkel im Allerwer­testen, als wir in der Lodge ankommen. Die vorab per E-Mail geschickten Fotos versprachen aller­dings deutlich mehr als wir dort tatsächlich vorfinden. Das Ganze spielt sich eher auf Jugendherbergs­-Niveau ab als auf dem einer empfehlenswerten Game Lodge. Jeder, der einige Jagdreisen gemacht hat, kennt diese Frustration, wenn die Erwar­tungshaltung nicht mit der Realität über­ einstimmt. Es sollte aber noch besser wer­ den …

Koch mit Colt

Der Koch, den wir als Meister seines Fachs vorm Begrüßungs­-Dinner angepriesen be­ kommen, hätte bestenfalls eine Dose Ravi­oli aufwärmen sollen, aber bestimmt nicht für Gäste kochen. Dieser klassische Bure, ein zierlicher Mann in der 130­-Kilo­-plus-­Klasse, trägt unübersehbar zur Selbstverteidigung (ob seiner Kochkünste?) eine .357 S & W mit 4­-Zoll­-Lauf am Gürtel. Nun gut, solange die Vögel prima fliegen, soll uns das alles recht sein.

Aber auch Clifford, unser hochgelobter Bird Scout, hat außer Selbstüberschätzung nichts zu bieten. Offensichtlich hat er seine Schulaufgaben nicht gemacht, da er die Fluglinien der Vögel einfach nicht kennt. Infolgedessen haben unsere Stände in den kommenden Tagen auch nur spärlichen Anflug. In den vergangenen Jahren hatten wir stets guten Anflug. 500 Patronen ver­ schossen wir dort stets pro Vormittag. Nun sind es gerade einmal 10 Prozent davon.

Die Frustration steigt zwar von Tag zu Tag, verhagelt uns aber dennoch nicht die Stimmung. Unsere Truppe ist ein über die Jahre gewachsenes Team, und wir sind gut drauf. Es wird trotz alledem viel gelacht.

Dave, unser Organisator, steht jedoch zunehmend unter Druck. Er muss jetzt lie­ fern! Als unser Mittelsmann und Berufsjäger wird ihm die Sache von Stunde zu Stunde peinlicher. Wenn die Rockies fliegen, das wissen wir aus der Erinnerung sehr gut, ist es ein abenteuerliches Spektakel, das alles andere vergessen lässt.

So kommen sie morgens im ersten Licht tief wie ein Harrier-Jet in 1 Meter Flughöhe im Konturflug über dem Boden mit einer unfassbaren Geschwindigkeit und trennen sich plötzlich links und rechts vorm Schützen im Reißverschluss­-Verfah­ren auf. So sehr man sich auch be­ müht, diese Tauben einzeln und gezielt zu beschießen, es ist nahezu unmöglich, sie bei vollem Zug und mit sehr viel Schwung sauber zu treffen.

Bei Querreitern wird man feststel­len, dass die letzte getroffen zu Bo­ den geht, wenn die erste anvisiert wurde. Es bedarf voller 1 bis 2 Jagd­ tage, um sich auf die Schwung­ und Vorhaltemaße, die Auge­-Hand-­Koor dination sowie die unglaubliche Flug­-Geschwindigkeit dieser artis­tisch fliegenden Vögel einzustellen!

Neben dem tiefen Konturflug ist es möglich, dass sie in schwindeler­regender Höhe zwischen 60 und 100 Meter über Kopf fliegen. Selbst­ verständlich ist auch alles zwischen diesen beiden Extremen möglich.

Ich kann mich an Momente des absoluten Glücks erinnern, in denen ich in 3 Stunden 750 Patronen ver­ schossen und 5 Liter Wasser getrun­ken habe, ohne ein einziges Mal gemusst zu haben. Überglückliche und total erschöpfte Schrotschützen standen an diesen Tagen oft an meiner Seite. Bei 35 Grad im Schatten waren diese Jagdtage so anstrengend, dass jeder von uns freiwil­lig um 22 Uhr in sein Bett gegangen ist.

Doch dieses Mal ist es leider ganz anders. Als Kompensation bietet Dave uns den Ab­schuss von je einem Blessbock oder Impala kostenfrei an. Als Zugabe wird zudem ein ordentlicher Oryx verlost.

Durch dieses Ausweich­-Programm kom­men die ersten jagdlichen Vater­Sohn­ Erlebnisse zustande. Justin erlegt einen gu­ten Impala. Auch ein sehr guter Sable, der auf anspruchsvoller Pirsch den Weg seines Vaters Markus kreuzt, wird gestreckt. Diese gemeinsamen Erlebnisse werden für Mar­kus und Justin zum Highlight dieser Reise.

Das Beste zum Schluss

Zu allem Überfluss sorgt heftiger Regen nicht unbedingt für ein weiteres Stim­mungshoch. Unsere diesjährige Südafrika­ Jagdreise fällt daher letztlich gewaltig und sprichwörtlich ins Wasser. Das Tankstellen­ Motto „You can ́t buy happiness, but you can buy icecream!“, machen wir trotz Regen zu unserem! Auf ein Neues im nächstes Jahr – vielleicht!

Jagd-Kosten

Im Gegensatz zu den üblichen Flugwild-Jagden wird hier nicht pro Vogel abgerechnet. Die Einnah- men rekrutieren sich für den Outfitter aus dem Verkauf der Munition. Üblicherweise bewegt sich der Preis von 8 bis 9,50 Euro pro 25er-Schachtel. 1.000 verschossene Patronen pro Tag sind durchaus möglich und keine Seltenheit. Unser persönlicher Rekord liegt zwischen 1.500 und 1.700 Schuss pro Tag. Die Tagessätze für Vollverpflegung und Unterkunft liegen je nach Qualität und Kategorie zwischen 250 sowie 400 Euro.