Traum von einem Jagdgewehr

Eine Fallblockbüchse ist etwas ganz Besonderes und ohnehin schon rar. Auf speziellen Wunsch gefertigt, vereint sie für einen Waffenkenner alles, was er von einer Jagdwaffe erwartet.

Schon wieder Sommer. Kaum zu glau­ben, aber die Zeit verflog trotz des Lockdowns und Corona wie jedes Jahr im Nu. Rückwirkend kommt es mir wie ein Wimpernschlag vor.

Rückbesinnung ist etwas, das zumindest bei mir in solchen Krisenzeiten greift. Da­ durch versuche ich Halt zu finden. Halt, den die neuen, nicht zu kontrollierenden Um­stände mir entziehen. Rückbesinnung heißt dann auch, sich wieder bewusst nach Qua­litäten zu sehnen, die in der urbanisierten Welt vom „Schnelllebigen“ verdrängt wer­den.

In meiner Welt sind Jagdgewehre entwe­der aus einer Manufaktur oder aber aus industrieller Herstellung. Die Tätigkeiten in einer Manufaktur sind handwerklich. Diese zu verbessern, erfordert jahrelanges Üben und Perfektionieren in der Praxis. Das Ergebnis einer Manufaktur gibt mir Halt, das aus einer Industriefertigung lässt mich frösteln!

Jagdlich habe ich Einiges erlebt, viele unterschiedliche Kugelgewehre mein Eigen genannt. Ich habe sie jagdlich auf Herz und Nieren überprüft, für gut oder weniger gut befunden. Aus meiner Suche heraus kann ich mit Gewissheit sagen, dass nicht alles glänzt, was innovativ und neu ist.

Aus Traum wird Wirklichkeit

An Repetierern und Kipplaufbüchsen habe ich mich bereits etwas abgearbeitet. Sie faszinieren mich immer noch, haben ihre besonderen Reize nicht verloren, wenn sie liebevoll und von Meisterhand gemacht sind. Zurzeit liegt mein spezielles Augen­merk jedoch auf der Fallblockbüchse. Mit der Verwirklichung einer langgehegten Idee, einer nach meinen Vorstellungen ge­bauten Fallblockbüchse mit abschaltbarem Ejektor, habe ich mir meinen Traum vom perfekten Jagdgewehr erfüllt!

Der Faszination einschüssiger Jagd­gewehre unterlag ich von der ersten Sekun­de an. Bis heute glaube ich fest daran, dass die Tatsache, nur einen Schuss/eine Chance zur Verfügung zu haben, Jäger diszipliniert. Im Moment der einen Schussabgabe muss man sich über das jagdliche Tun zu 100 Pro­zent bewusst und sicher sein.

Aus meinen Erfahrungen auf Pirsch und Ansitz ist selten ein schneller, zweiter Schuss möglich und ebenso wenig nötig! Eine Ausnahme bilden hier selbstverständ­lich Gesellschaftsjagden. Getreu dem „Ein­schuss-­Prinzip“ ist es selbstredend, dass dieses keine Fehler verzeiht. Die Präzisions­anforderung an Jäger und ihre Jagdwaffen bekommt dadurch eine andere, klarere Dimension.

Ich persönlich konnte mich noch nie mit dem Prädikat für eine Jagdwaffe „schießt jagdlich brauchbar“ anfreunden. Es war und ist für mich vielmehr die Kapitulation des Herstellers vor den überwiegenden Präzisi­onsanforderungen, denen Streukreise von 5 Zentimetern auf 100 Meter genügen. Ich sage dies wohlwissend, dass das Zusammenspiel von Munition, Gewehr und Steuermann stimmen muss. Als Jäger sind wir gehalten, Wild schmerzfrei zu töten. Das können wir nur dann, wenn wir unsere Kugel dort antragen, wo das Wild binnen Bruchteilen von Sekunden vom Leben in den Tod befördert wird.

Zurück zur Sache

Eine Fallblockbüchse ist die stabilste Kons­truktion aller Kugelwaffen. Die horizontale, gleitende Verriegelung des Patronenlagers durch einen massiven Block hält durch die steife Bauart selbst extremsten Gasdrücken locker stand. Ein klarer Vorteil gegenüber anderen Konstruktionen (neben der sprich­wörtlichen Robustheit), ist die viel kürzere Bauform. Den Platz, den etwa ein Zylin­der ­Verschluss benötigt, kann man sich bei der viel führigeren Fallblockbüchse sparen. Selten ist der Block tiefer als drei bis vier Zentimeter.

Ich erinnere mich sehr gut an die erste Be­gegnung mit dieser Konstruktion anlässlich einer Auktion in London. Es handelte sich um eine Fallblockbüchse von Daniel Fraser, auf die mich Friedrich Gehri aufmerksam machte, ein Büchsenmachermeister und absoluter Kenner der Materie. Sie wurde 1902 für präzise Weitschüsse gebaut.

Häufig wurden Anfang des 20. Jahrhun­derts Fallblockbüchsen von englischen Expeditionsausrüstern bestellt, wohl wissend, dass die Mechanik härtesten Belas­ tungen trotzen kann.

Durch meine 15­-jährige Tätigkeit für ein britisches Auktionshaus hatte ich die Mög­lichkeit, viele Gewehre durch meine Hände gehen zu lassen und sie zu beurteilen. Nicht wenige davon habe ich Probe geschossen, sodass ich mir ein Urteil aus Theorie und Praxis erlauben kann.

Nachdem ich die englischen Modelle von Westley Richards, Martini Henry, Alexander Henry, Deely & Edge oder Daniel Fraser stu­diert hatte, interessierte ich mich für die Konstruktionen von Martin Hagn, Arturo Herren und der im Feinguss hergestellten US­ Fallblockbüchse Ruger Nr.1.

Symbiose aus dem Besten

Ich konnte mir vorstellen, an allen etwas zu verbessern. Meine ganz präzise Vorstellung war, aus den unterschiedlichen Komponen­ten der diversen Modelle überall das Beste zu stibitzen, um mir meine raffinierte, leich­te, zierliche sowie dennoch stabile Traum­büchse zusammenzustellen.

Es galt, denjenigen zu finden, der glei­chermaßen die handwerklichen Fähigkei­ten zur Umsetzung meiner pingeligen Vor­stellungen hatte. So ganz nebenbei musste er auch noch über die hochtechnologi­schen Maschinen für eine Umsetzung in der Herstellung verfügen.

Für viele Jahre lag das Projekt auf Eis, war aber immer in meinem Hinterkopf präsent. Dann kam eine Messe, auf der ich meinen Stand­nachbarn Thomas Heuberg kennen­ lernen sollte. Ein Multitalent und echter Meister der Büchsenmacherkunst. Dieser Mann hörte mir bereitwillig zu und war of­fensichtlich interessiert.

Man nehme…

Ich äußerte meine Vorstellungen wie folgt: Meine Büchse muss schnell, ohne die Posi­tion zu verändern, geräuscharm nachzula­den sein. Das ist mir speziell beim Liegend­ schießen wichtig. Wer in den Bergen auf Schalenwild jagt, kennt diesen Anspruch. Dieser Wunsch lässt sich nur mit einem Sei­tenhebel realisieren. Der Side Lever ist sicher nicht neu, aber die Position des Hebels soll­te so weit zurückverlegt sein, dass ich als Schütze meinen Griff kaum verändern muss, um schnell und nahezu geräuschlos das System mit wenigen Bewegungen zu öffnen beziehungsweise zu schließen.

Weiterhin, um meinen Ansprüchen auf der Pirsch zu entsprechen, sollte meine Büchse einen abschaltbaren sowie zuver­lässigen Ejektor besitzen. Selbstredend wünschte ich mir einen bei 600 Gramm knochentrocken brechenden Abzug und natürlich eine Sicherung, die diese Bezeich­nung auch verdient.

Für die Ästhetik musste der Scheibenwin­kel des Systems eine möglichst englisch wirkende Schaftform mit einem gestreck­ten Pistolengriff ermöglichen. Ein attrakti­ves Holz, eine feine Fischhaut und eine perfekte true-oil-Handpolitur sowie eine belederte Schaftkappe waren meinerseits ebenfalls fest eingeplant. Ebenso stand für mich im Vorhinein die alte Tradition fest, dass die Gravur maximal 10 bis 20 Prozent des Herstellungspreises ausmachen darf.

Meine Wahl fiel auf das Traditions­kaliber 8 x 57 IRS. Sicherlich eine der universellsten Jagdpatronen, die mit bleifreien Geschos­ sen auf Einsatzbereiche bis zu 300 Metern kommt. Meine Präzisionserwartung für die­se Waffe lag bei einem Streukreis unter 20 Millimeter für fünf Schuss auf 100 Meter. Die exzellente Qualität der von Thomas Heuberg selbst gefrästen Läufe mit 60 Zen­timeter Lauflänge ist sicherlich Teil dieses Erfolgs. Die Dralllänge wurde im Vorfeld auf das gewünschte Geschossgewicht abge­stimmt.

Mit Thomas Heuberg hatte ich einen Handwerksmeister und Konstrukteur gefunden, der sich dieser Sache mit Leiden­schaft und großem Können angenommen hat. Seine Entwicklung der zwangsgesteu­erten Sicherung ist ebenso simpel wie groß­artig. Ich betrachte es nicht nur als glückli­chen Umstand, sondern ebenso als Privileg, dass mein Traum von einem Jagdgewehr mit diesem hochqualifizierten Fachmann real wurde.

Dass ich hoffe und wünsche, dass sich so einige Jäger von industriell gefertigten Schießprügeln distanzieren und etwas mehr auf handwerklich hergestellte Quali­tät besinnen, ist nichts Neues. Thomas Heu­berg sowie die wenigen verbliebenen „Samurai“ des Büchsenmacher­ Handwerks freuen sich über Aufträge und damit das Überleben dieser Zunft.

Sicherlich ist es eine Frage des Budgets. Aber beim„heiligen Blechle“ wird hingegen weniger über die endlosen und häufig sehr üppig berechneten Extras nachgedacht als bei dem Investment in ein langlebiges und Besitzerstolz hervorrufendes Gewehr.

Da ich in den vergangenen 15 Jahren nichts anderes getan habe, als erstklassig erhaltene gebrauchte Jagdwaffen unter dem Motto „Second Hand, but first Class“ zu handeln, weiß ich, dass ich für die geforder­ten Preise einer neuen industriellen Jagd­waffe einen ebenso hohen Betrag aufwen­den muss, für den ich eine handwerklich erstklassig gefertigte Büchse oder Flinte in bestem Zustand Second Hand erwerben kann.

Investition & Werterhalt

Meiner Frau erkläre ich beim Waffenkauf immer: Gute Gewehre sind rar gesät. Außer­ dem wäre eine Freundin deutlich teurer! Zudem gönnt Sie mir meine Freude an die­sen schönen Stücken von Herzen!

Es ist unklug, zu viel zu bezahlen. Aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn wir zu viel bezahlen, verlieren wir etwas Geld, das ist alles. Wenn wir dagegen zu wenig bezahlen, verlieren wir manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Um es mit den Worten von John Ruskin zu sagen:„Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.“

Neben dem rein nüchternen Zahlenspiel ist die emotionale Seite unbezahlbar. Es macht einfach Freude, etwas Schönes sowie Wertvolles zu besitzen, um es vielleicht auch noch in die nächste Generation weiter zu vererben.

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